In jüngster Vergangenheit ist es dem Freien Deutschen Hochstift gelungen, spektakuläre Handschriften aus dem Bereich der literarischen Romantik zu erwerben: ein Entwurfsblatt zum Beginn des Romanfragments Heinrich von Afterdingen von Friedrich von Hardenberg (Novalis) sowie die Sammlung Lieber mit Handschriften und Briefen von Friedrich Schlegel. 

Heinrich von Afterdingen 
Eine wiederentdeckte Handschrift von Novalis 
Im Winter 1799 begann Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772 – 1801) mit der Niederschrift des Schlüsselwerks der Frühromantik, das seit dem postumen Erstdruck im Jahr 1802 (fälschlich) ‚Heinrich von Ofterdingen‘ genannt wird und die „blaue Blume“ als Symbol des Unendlichen in die romantische Literatur einführte. 

Eine vor kurzem in einem englischen Memorabilienalbum entdeckte Handschrift wirft neues Licht auf die Ausgangskonstellation des Romans. Die Handschrift hebt auf der Vorderseite mit einem „Zueignung“ überschriebenen Sonett an. Auf der Rückseite folgt zunächst der Titel des Romans und dann ein weiteres Sonett („In ewigen Verwandlungen begrüßt ...“), das somit den ersten Teil des Romans eröffnet. Die Drucke hingegen behandeln beide Sonette als Einheit. Die ‚Zueignung‘ widmet den gesamten Roman einer unbekannten Macht, die den Protagonisten trägt und durchströmt. Das Fundament des Werks bildet mithin kein abstrakter philosophischer Grundsatz, sondern die konkrete, persönliche Erfahrung eines universellen Prinzips. 

Auffällig ist der Titel: ‚Heinrich von Afterdingen‘. Dass die Herausgeber Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck ihn im Erstdruck eigenmächtig in ›Heinrich von Ofterdingen‹ verändert hatten, war Experten bekannt – wobei es bis heute keine Ausgabe gibt, die den Eingriff rückgängig gemacht hätte. Heinrichs selbstgestellte Lebensaufgabe, sich von den nachgeordneten Dingen des Lebens (den ‚Afterdingen‘) zu lösen und seiner Berufung zu folgen, ist nach wie vor nur in der Handschrift sichtbar. 

Bemerkenswert sind schließlich die vielen Korrekturen, die einen präzisen Einblick in die Entstehung der beiden Gedichte geben. 

Die Handschrift wurde Ende November 2011 mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, der Fritz Thyssen Stiftung und des Kulturamts der Stadt Frankfurt am Main erworben. 
 
 
Kreise der Poesie Handschriften von Friedrich Schlegel aus der Sammlung Lieber 
Der Philosoph und Schriftsteller Friedrich Schlegel (1772 – 1829) suchte sein Leben lang nach einer Form, die es ihm ermöglichen sollte, die „unendliche Fülle“ des Lebens in die „unendliche Einheit“ einer schlüssigen Darstellung zu überführen, ohne die Fülle damit zu zerstören. „Es ist gleich tödtlich für den Geist, ein System zu haben, und keins zu haben. Er wird sich also wohl entschließen müssen, beydes zu verbinden“, lautet eines seiner Athenaeums-Fragmente von 1798. Hierin wusste sich Schlegel mit seinem Freund Novalis einig, der zwei Jahre zuvor notiert hatte, das Ziel der Philosophie müsse „Systemlosigkeit, in ein System gebracht“ sein.

Grundlage und Aufbau eines solchen systemlosen Systems blieben für Schlegel zeit seines Lebens problematisch. Obgleich er ab 1800 in Jena, Paris und Wien Philosophie lehrte, blieb sein philosophisches Hauptwerk ungeschrieben. Erhalten hat sich jedoch eine große Menge an Heften und losen Zetteln mit philosophischen Gedankensplittern, die alle denkbaren Bereiche möglichen Wissens ausleuchten und die Grundbegriffe des Gesamtunternehmens in immer neue Konstellationen setzen – etwa in Form von Kreisen. 

180 Seiten solcher Aufzeichnungen aus der ›Sammlung Lieber‹ hat das Freie Deutsche Hochstift 2011 erworben. Gezeigt werden Notizen aus den Jahren 1802–1807 zur Philosophie, Physik, Historie und Poesie sowie Briefe Schlegels an Novalis, die sich ebenfalls fast vollständig in der Sammlung erhalten haben. 

Die Sammlung Lieber wurde bereits in den 1960er Jahren von der Bad Camberger Familie Lieber dem Freien Deutschen Hochstift als Leihgabe übergeben. Sie enthält knapp 900 Autographen, neben den Schlegel-Handschriften vor allem Manuskripte und Korrespondenzen des Publizisten und Politikers Moritz Lieber (1790 – 1860), der mit vielen Autoren der Romantik in Beziehung stand. Im Sommer 2011 erwarb das Hochstift die Sammlung mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder, der Hessischen Kulturstiftung, des Kulturamts der Stadt Frankfurt am Main, der Rudolf August Oetker-Stiftung, der Dr. Marschner Stiftung, der FAZIT-Stiftung sowie privater Spender. Die Präsentation wurde gefördert vom Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute e.V. (AsKI).