2024 ist Caspar-David-Friedrich-Jahr. Zum 250. Geburtstag des bekanntesten Malers der deutschen Romantik finden an zahlreichen Museen große und kleine Ausstellungen statt. Kein anderer Künstler hat die Vorstellung von romantischer Kunst so nachhaltig geprägt wie er. Seine oft menschenleeren Landschaften, die Rückenfiguren, Mondscheinszenen, Ruinen und Nebel, die weiten Blicke auf das Meer oder ins Gebirge stehen für viele Menschen geradezu synonym für die Epoche. Auch als Person fasziniert Friedrich bis heute. Er gilt als Einsiedler und menschenscheuer Melancholiker, doch stimmt das Bild nicht ganz. Friedrich hatte Bewunderer, Familie und enge Freunde, er stellte seine aufsehenerregenden Gemälde selbstbewusst aus, vertrat seine Ansichten zur Kunst mit Nachdruck und äußerte sich auch politisch, was seiner Karriere durchaus schadete. Zu seinem Geburtstag haben wir einige Geburtstagsgäste, die unsere eigenen Friedrich-Gemälde in neue Nachbarschaften setzen.
Carl Gustav Carus: Morgennebel
Carl Gustav Carus (1789 – 1869) kam 1814 als Professor für Geburtshilfe und Leiter der Entbindungsklinik nach Dresden. Mit 25 hatte sich der geachtete Mediziner an der Leipziger Zeichenakademie aber auch künstlerisch gebildet. In Dresden betrieb Carus das Zeichnen und Malen weiter und nahm bereits 1816 an der Akademie-Ausstellung teil. Von entscheidender Bedeutung war die Bekanntschaft mit dem 15 Jahre älteren Caspar David Friedrich im Jahr 1818. Zwischen beiden entstand eine enge, langjährige Freundschaft, die Carus' Kunst grundlegend prägte. Nähe aber auch Abgrenzung zu Friedrich kann Carus' Morgennebel sichtbar machen, ein Geburtstagsgast aus der Alten Nationalgalerie Berlin. Die Ölstudie zeigt einen Blick von weit oben über eine ausgedehnte Waldlandschaft. Rechts gibt eine Birke den Standpunkt des Betrachters an und verleiht ihm durch die Nähe Stabilität. Der zarte Baum im Gegenlicht verbindet zudem die untere Bildhälfte, in der Wald und Ebene noch im Dunst der schwindenden Dunkelheit liegen, mit der oberen, dem leuchtenden Himmel in der aufziehenden Morgenröte. Das Motiv ist unspektakulär und doch ist der Übergang von Nacht zum Tag, von Dunkelblau zu Leuchtendorange von prächtiger Schönheit. Im Gegensatz zu Friedrich nutzte Carus bisweilen die Ölstudie. Exakte Kompositionen und ein feiner Duktus, wie sie Friedrich wichtig waren, stehen der Technik eher entgegen. Doch ermöglichte sie es – wie hier – eine Lichtstimmung unmittelbar und schnell zu erfassen.
nach 1828/1830, Öl auf Papier auf Pappe
Zu Gast im Deutschen Romantik-Museum bis 2. April 2024
Leihgeber: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Caspar David Friedrich: Hügel mit Bruchacker bei Dresden
Der Bruchacker ist ein willkommener Geburtstagsgast aus der Hamburger Kunsthalle. Kein anderes Gemälde Caspar David Friedrichs (1774 – 1840) ist dem einige Jahre später entstandenen Abendstern in unserer Sammlung so eng verwandt wie dieses. In der Nachbarschaft sind ihre Ähnlichkeiten ebenso wie ihre Unterschiede unmittelbar fassbar. Im Bruchacker nimmt der sanft gewölbte Hügel nahezu die gesamte untere Bildhälfte ein. Auf seiner Kuppe stehen einige Bäume mit fast entlaubten Kronen wie Schattenrisse vor dem leuchtenden Himmel. Ein Schwarm Rabenkrähen lässt sich auf dem gepflügten Acker nieder. Die Himmelsfarben sind klar und zart: hellgelb am Horizont, hellblau, mit gelben Wölkchen weiter oben. Und nahezu irreal zeigt sich, halb verdeckt vom Hügel, die Silhouette der Stadt Dresden mit ihren Kuppeln, Türmen und Pappeln, als schmaler, gläsern-violetter Streifen. Beide Gemälde sind nach den Regeln des goldenen Schnitts, in Ausrichtung an klaren Bildachsen komponiert, in beiden treffen dunkle Erdtöne ohne Mittelgrund auf den farbenprächtigen Himmel. Einmal verbinden die Baumkronen, einmal die Figuren die irdische und die himmlische Sphäre, während der Betrachter stets am Fuß des Hügels bleibt. Doch unterscheidet sich nicht nur das Personal, auch das Licht hat eine je eigene Qualität. Dem warmen, dichten Rotorange und tiefen Violett des Abendsterns antworten die leichten, luziden Gelb- und Blautöne des Bruchackers. Der Effekt des Gegenlichtes ist hier abgeschwächt, so dass die Furchen im Feld erkennbar bleiben. Mit den aufsteigenden gelben Wölkchen scheint der Bruchacker einen frühen Morgen zu zeigen, während im Abendstern der Tag endet.
1824/25, Öl auf Leinwand
Zu Gast im Deutschen Romantik-Museum bis 11. August 2024
Leihgeberin: Hamburger Kunsthalle